Unsere Schule am Hyrtlplatz im ehemaigen Waisenhaus

49 Jahre lang ist die Modeschule in Mödling bereits im oft liebevoll „Schloss“ oder „Hogwarts“ ge-nannten geschichtsträchtigen Gebäude am Josef-Hyrtl-Platz untergebracht.  Am 4. April 1886 erfolgte die Grundsteinlegung der Waisenhauskirche auf dem Grund der ehemaligen Martinskirche.  Bereits im November 1886 wurde die Kirche nach den Plänen des Architekten Eugen Sehnal erbaut, eingeweiht und erhielt den Namen Josefskirche nach den Vornamen der Stifter Josef Hyrtl und des ehemaligen Bürgermeisters Josef Schöffel.

Josef Schöffel überzeugte seinen Freund Josef Hyrtl, eine Stiftung zur Gründung und Erhaltung des Waisenhauses für arme oder verlassene Kinder zu gründen. Josef Hyrtl war jedoch in großer Sorge, dass sein Geld vom Staat zweckentfremdet und nicht den Bedürftigen zugute kommen könnte. Doch Josef Schöffel setzte sich durch, und so wurde bis 1886 der Bau des Waisenhauses mit einem Raum für 48 Kinder errichtet.

Der Ausbau erfolgte kontinuierlich und erreichte 1902 seine größte Ausdehnung.  Bis 1905 stieg die Anzahl der Waisenkinder auf 600, noch immer waren 200 bis 300 Kinder für die Aufnahme vorgemerkt.

Schöffel besuchte täglich die Anstalt, sah den Kindern beim Spielen und Exerzieren, beim Baden und bei den Mahlzeiten, die er auch überprüfte, zu.

Bis zu 712 Kinder wohnten zeitgleich in dieser einzigartigen Anlage. Es fehlte an nichts: es gab 29 Schlafsäle, drei Küchen, drei Speisesäle, einen großen Turnsaal mit 360 m² (unser Turnsaal hat heute 386m²), ein Schwimmbad mit 1 000 000 l Wasser Fassungsvermögen. Für jede Fertigkeit der Kinder gab es die verschiedensten Werkstätten, eine Krankenabteilung, einen Isoliertrakt für ansteckende Krankheiten, eine Anstaltsfeuerwehr, eine Spiel- und Sportwiese, einen Eislaufplatz mit 10 000 m² Grundfläche, einen Obst- und Gemüsegarten sowie Rinder-, Schweine- und Hühnerzucht, sogar eine Imkerei.

Die Mädchen, streng getrennt von den Knaben, wurden in Kochen, Waschen, Bügeln, Nähen, Sticken, Stricken, Häkeln, Haushaltsreinigung und als Kranken- und Klosterschwestern ausgebildet.
Es wurde auf gute, strenge, religiöse Erziehung und Ausbildung Wert gelegt.

Der Erste Weltkrieg und die Nachkriegszeit haben verheerende Folgen hinterlassen, das Anstaltsareal wurde verkleinert.  Der Bescheid des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 20. Jänner 1939 beschloss die Auflösung der Waisenhausstiftung. Im Juni 1945 übernahm die Städtische Fürsorge die Anstaltsleitung. 1960 wurde das Eigentumsrecht wieder der Dr. Josef Hyrtlschen Waisenhausstiftung zuerkannt und das Land Niederöstereich als berechtigte Behörde bestimmt. Ein Großteil des Areals wurde verkauft.

1978 übersiedelten die Kinder in das Sozialpädagogische Betreuungszentrum Gießhübl-Hinterbrühl, danach standen die Gebäude leer.
1974 zog der Josef Schöffel-Landeskindergarten ein,
1975 die Fachschule für Mode und Bekleidungstechnik,
1979 die Werkstätten der Lebenshilfe und das Gymnasium Bachgasse 8,
1990 die Allgemeine Sonderschule Josef Schöffel-Schule und die Volksschule Hyrtlplatz sowie
1992 das Psychosoziale Gesundheitszentrum mit betreutem Wohnen.

Quellen:
Jirka, Walter: Das Waisenhaus Mödling 2023.
Jirka, Walter: Die Kinder vom Waisenhaus Mödling 2023.
Jirka, Walter: Festschrift 100 Jahre Dr. Josef Hyrtl’sche Waisen-Stiftung 1986.
Jirka, Walter: Das Waisenhaus Mödling im Wandel der Zeit, Serie in der NÖN.

Josef Hartl

Zeitzeuge aus dem Waisenhaus
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Franz Xaver Leopold Maria Soucek

Zeitzeuge aus dem Waisenhaus
Interview auf Youtube ansehen

Das Areal des Waisenhauses 1903

Aus der Sicht des Mödlingbaches und der Wienerstraße

Fronleichnam 1914

Vor dem Waisenhaus am Hyrtlplatz

Areal Waisenhaus 1926

Lageplan 1926

Waisenhauskinder: Gebet vor dem Essen

Neben den Werkstätten und dem Radweg